Am 21. Dezember geht die Sonne am Polarkreis nicht auf. Aber wer glaubt, dass es dort deswegen ein halbes Jahr dunkel ist, der hat von der Polarnacht eine falsche Vorstellung. Als wir das erste Mal aufbrechen, um im winterlichen Lappland zu zelten und zu wandern haben wir auch vor allem an die Taschenlampen gedacht. Und waren sehr verwundert, wie hell es doch wird, wenn die Sonne den ganzen Tag nur um den Horizont herum schleicht.
Bepackt mit schwarzen Jurten- und Kohtenplanen, einer selbstkonstruierten Feuertonne, extrawarmen Schlafsäcken und dem guten Vorsatz nicht zu frieren, brechen wir an Heilig Abend in Richtung Norden aus. Nach vielen Stunden der Fahrt im VW-Bus, auf dem Dach ein Vorrat an trockenem Holz, erreichen wir kurz hinter dem Polarkreis das nordschwedische Städtchen Jokkmokk. Es ist acht Uhr morgens, der Himmel dämmert, wie bei uns im Sommer um halb sechs und es hat 35 Grad unter Null. Der Bus stöhnt und knirscht in allen Ecken, so sehr kriecht die Kälte durch den Kunststoff und uns auch langsam in die langen Unterhosen.
Recht bald finden wir ein nettes Plätzchen am Waldrand, um unsere Jurte als Basiscamp aufzustellen. Es liegt etwa ein Meter lockerer Schee, welchen wir mit großen Schaufeln zur Seite räumen. Die Jurte bauen wir in einer etwas kleineren Variante mit nur 5 Kohtenblättern und mit halber Seitenwandhöhe auf. Davon versprechen wir uns, weniger Luft anheizen zu müssen.
Der erste kalte Tag schwindet schnell wieder dahin, nur pünktlich um zwölf Uhr Mittags spickt die Sonne mit zwei, drei Strahlen über den Horizont, nur um drei Minuten später wieder zu verschwinden. Abends steht das Zelt und ist eingerichtet, das Feuer in der Tonne brennt und wir bereiten aus gefrorenen Utensilien unser Abendessen zu.
Eine ganze Woche werden wir hier campieren, der Kälte trotzen und den Winter in Lappland entdecken. Obwohl die Welt in eintönigem Weiß verschwunden ist, bringt jeder Tag neues zum Vorschein. Sei es, ob wir in der Natur unterwegs sind, oder das Leben in Schwedens Norden direkt in Jokkmokk erkunden.
Da wir unweit von vereinzelten Anwesen zelten bleibt unsere Anwesenheit natürlich nicht verborgen und wir bekommen ab und an Besuch, den wir auch gerne in unsere Jurte zu einem gemütlichen Tee mit Rum einladen. So erfahren wir auch ein bisschen etwas über Land und Leute. Je länger wir da sind, umso mehr kehrt auch die Ruhe der Landschaft in uns ein. Der Tagesrhythmus aus Entdecken, Holz suchen und hacken, Kochen am Lagerfeuer und rauchigen Abenden und Nächte in der Jurte spielt sich ein.
Viel zu schnell ist die geplante Woche um und wir denken an den Aufbruch. Die Jurte ist total vereist und lässt sich nur schwer verpacken. Ähnlich ist es mit allem, was wir dabei haben und so beschliessen wir noch eine Nacht zum Aufwärmen in einem gemütlichen Hüttencamp zu verbringen. Ausser uns verbringen dort junge Schweden ihren Winterurlaub mit Eislochfischen, Schneescooterfahren und Saunieren.
Inzwischen ist die Sylvesternacht hereingebrochen. Übers Telephon geben wir sogar dem heimischen Radion ein Interview über das Leben in der Polarnacht und feiern mit den Schweden in behaglicher Wärme in das neue Jahr hinein, welches uns auch schon wieder zur Heimreise drängt.
Hinter uns liegt eine Woche im Freien bei fast Minus Vierzig Grad. Hinter uns liegt eine sagenumwobene Landschaft im Winterschlaf. Und als wir Stunde um Stunde wieder der Heimat näher rücken ist uns gewiss, dass dies nicht die letzte Fahrt in den schwedischen Winter war. Das nächste Mal würden wir mit dem Rucksack kommen und durch die Nationalparks wandern.