Foto: Das Lagerfeuer - 21. Jahrgang des "Pfadfinder", Heft 5, Atlantis-Verlag Berlin Zürich 1931, Seite 7
Vor mehr als 100 Jahren gibt es bereits die Herreszeltbahn mit einem Kantenmaß von 165 mal 165 cm. Sie ist aus Baumwolle, hat Doppelknöpfe aus Aluminium und Ösen aus Messing.
Daraus werden kleine Notzelte gebaut, vielleicht noch etwas größere Spitzzelte, die aus 12 oder 24 Planen bestehen. Einzige bekannte Ausnahme ist das 128-Planen Zelt von 1931. Doch selbst das hat kaum Stehhöhe.
Vor 80 Jahren entwickelt tusk in Anlehnung an nordische Kotas eine Zeltbahn, die es erlaubt im Inneren eines Zeltes eine offene Feuerstelle zu betreiben. Die Zeltbahn ist in etwa trapezförmig und lässt sich auf Fahrt gut transportieren. Vier Stück davon ergeben eine Kohte. Das erste Kohtenblatt ist erfunden.
Vor dem Krieg kommen vermutlich nur wenige Kohtenblätter in Umlauf. Sie sind jedoch kompatibel zu der Heereszeltbahn. Auch die erste Jurte wird schon vor dem Krieg aufgestellt.
Eine Zeltbahn entwickelt sich
Erst vor fast 60 Jahren beginnt dann der Siegeszug der Kohtenblätter. 1952 gehen diese erstmals richtig in Serie. Es gibt nur zwei verschiedene Planen. Die Viereckzeltbahn und das Kohtenblatt.
Die rasche Verbreitung bringt neue Ideen ins System. Die Kohtenblätter erhalten 1953, 1959, 1999 immer breitere Streifen, es werden Theaterplanen, Fenster, Halbdächer und Ganzdächer erfunden, letztendlich erhalten diese noch Traufkanten, steilere Dachneigungen und das eine oder andere Detail.
Alle Entwicklungen gehen im Grunde auf Kosten der Kompatibiltät und zu Gunsten des Komforts, bzw. um die eine oder andere Idee umsetzen zu können.
Die Anspüche ändern sich, nur das Material bleibt gleich!
Bis heute werden die gleichen Materialien bei der Konfektion der Zeltbahnen verwendet. Baumwolle, Messingösen, Aluknöpfe, Garn und Schnüre für die Schlaufen. Bei den Dächern kommen noch Gurtbänder und D-Ringe hinzu, welche die größeren Kräfte aufnehmen sollen.
So wie der Marktanteil der schwarzen Zeltbahnen wächst und sich die Vielfalt in den Materialräumen der Jugendgruppen vergrößert, wachsen mit den Ideen auch die Zelte. Kohten und Jurten werden miteinander kombiniert. Erst eins dann zwei, dann drei, von 1964 ist zum Beispiel das Kohtenschloss. In den letzten 10 Jahren bricht das Team um Black Castle einen Schwarzzelt-Rekord nach dem anderen, bzw. stellt statische Meisterwerke auf.
Der Zenit des Schwarzzeltbaus scheint mit der Kathedrale der CPD erreicht, in der unter 600 Planen mehr als 1500 Menschen Platz finden.
Welche Kräfte müssen hier wirken?
Wir können es nur nochmal wiederholen. Es sind die gleiche Baumwolle und die gleichen Ösen und die gleichen Knöpfe, wie vor 100 Jahren, die nun solche Zelte bilden. So sehr die Hersteller und Lieferanten sich über diese Entwicklung freuen, so sehr macht sie ihnen auch Angst.
Foto: Andih, DPSG Langerwehe
Tortuga distanziert sich zum Beispiel schon von der Verwendung manchen Zubehör, trotz oder wegen der verlängerten Gewährleistung. Zu dünne Stangen würden die Ösen beschädigen. Aber wieso erst heute. Und nicht schon vor 10 oder 20 Jahren?
Denn manch alte Plane im Lager, die vom Stoff her vielleicht schon einem durchlegenen Leintuch ähnelt ist in Sachen Ösen und Knöpfe fast wie neu. Zugegeben, der alte Materialwart hat maches davon fachmännisch repariert und ausgebessert.
Und da kommen wir nun zu des Pudels Kern
Heute wird gebaut wie die Doofen. Das Dach muss immer straffer sein, jeder Tropfen Wasser wird abgewehrt, die Heringe nochmal nachgespannt, wenn es regnet. Oder die Jurten müssen dreistöckig sein, die Kohten kommen auf die Spitze großer Türme. Es werden Flächen überbaut, die weit über das Grenzmaß von "fliegenden Bauten" hinausgehen ( größer 75 qm), Kunsthanfseile, Karabiner und gar Flaschenzüge spannen den schwarzen Stoff manches Mal bis zum Zerreißen.
Wie sollen da die gleichen Ösen halten, die vor 100 Jahren noch kleine Zelte ermöglichten? Und wer repariert denn heute schon noch selbst. Da nimmt man lieber Lieferant und Hersteller in die Pflicht von Garantie und Gewährleistung. Es kann ja nicht sein, dass die Öse schon nach dem ersten Sommerlager herausfällt.
Foto: Daniel Lienert
Dass bei einem Sturm mit mehr als 80 kmh schon manches Festzelt geräumt werden muss, bleibt den Menschen am Lagerfeuer der Jurtenburg verborgen. Es kommt halt nochmal ein Hering mehr in den Boden (leider keine Öse mehr ins Jurtendach). Es wird schon halten. Und eigenartiger Weise tut es das sogar oft.
Selbst wenn der zu große Bau einfach mal zusammenklappt, dann hofft man noch auf die Kulanz des Herstellers, vermutet lieber eine schlechte Verarbeitung, als sich mal die Hand auf Herz zu legen und sich zu überlegen, ob eine Nummer kleiner nicht auch schon ein beeindruckendes Bild gegeben hätte.
Unser Fazit ist...
...Lieferant und Hersteller müssen sich der Produkthaftung, die immer strenger ausgelegt wird stellen. Genauso erliegen die Produzenten ihrem eigenen Wettbewerb und dehnen Gewährleistungen auch über die gesetzlichen Vorgaben aus. Aber es muss auch den Kunden bewusst sein, dass Zelte, die größer als Kohte und Jurte sind, mit dem Material nicht angedacht waren. Auch muss es klar sein, daß Konstrukionen mit einer Grundfläche von mehr als 75 qm oft am Rande der Legalität entstehen. Selbst wenn die eine oder andere Baubehörde ein auge zudrückt und auf den Sachverstand der Jurtenbauer vertraut, davon werden die Messingösen nicht stabiler.