Foto: Kautokeino, Norwegen von Morten Kleveland
In den Zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist die Zeit, in der die Pfadfinder, Wandervögel und Freischar in Deutschland Fuss fassen, sich in verschiedenen Bünden zusammenschließen und weiterentwickeln.
Eberhard Koebel (Tusk) und Erich Mönch (Schnauz) unternehmen in den Jahren 1928 und 1929 Fahrten nach Lappland. Dort lernen sie die sämische Kota kennen. Ein Zelt, dass die Samen in Lappland benutzen, um im kurzen Sommer mit ihrem Vieh auf die Weiden zu ziehen.
Tusk und Schnauz sind so sehr von den Kotas begeistert, dass sie die Idee mit nach Deutschland bringen und an einer für ihre Zwecke geeignete Variante experimentieren.
„Wir brauchen eine Kohte, damit wir darin Feuer machen können“, sagt Tusk zu Theo Hohenadel (Gari) und gibt ihm den Auftrag ein zusammenlegbares, transportables Rahmensystem zu entwickeln.
Das Original der Samen besteht aus einem umfangreichen Holzgerüst, mit recht speziellen und sperrigen Bauteilen. Wer mit einer Herde Rentiere durch Lappland zieht, braucht sich über den Transport des schweren Materials weiter keine Gedanken zu machen. Für die Pfadfinder ist es jedoch wichtig, mit möglichst leichtem Gepäck zu reisen.
Die erste Kohte besteht aus einer einzigen Plane mit einem dreieckigen Stoff als Eingang. Nach vielen Experimenten mit dem Rahmen, entsteht recht schnell die Idee eines Kohtenkreuzes und vier Stangen, welche das Kreuz und damit auch die Kohte tragen.
Einen ausführlichen Artikel über das Wirken von Eberhard Koebel findest du unter http://schriftleitung.org
Eckard Holler schreibt in seinem Vorwort zu "Das Leben auf den Wanderwegen der Rentierherde " von Eberhard Köbel alias tusk folgende Sätze über die Entstehung unserer heutigen Kohte:
"Seit diesem Lapplandaufenthalt (1927) hatte tusk die Idee, die lappische Nomadenkohte zum Gebrauch der Jugendbewegung nachzukonstruieren. Die Legende besagt, dass er sich dazu in Stuttgart in seinem Atelier "gorm" drei Tage und Nächte eingeschlossen habe. Aus tusks Überlegungen entstand die neue Zeltform der "Kohte", die ab 1931 bei der Firma tadep in Berlin serienmässig gefertigt wurde. Die "Kohte" besteht aus vier schwarzen Kohtenstücken, die zusammengeknüpft, am Boden mit Häringen befestigt und am Kohtenkreuz mit zwei Stangen gespannt werden. Oben ist eine Öffnung zum Abzug des Rauches, so dass innen, und das ist die eigentliche Neuerung, ein Feuer gemacht werden kann. An der Konstruktion der Kohte war in Stuttgart Theo Hohenadel (gari) und in Berlin Ernst Voos beteiligt. Das Hauptproblem war, die feststehende Stangenkonstruktion ("Etnorise") der lappischen Kohte durch eine Spannkonstruktion zu ersetzen, bei der das Zelt am Boden befestigt und mittels zwei Stangen aufgerichtet wird, die es am Kohtenkreuz nach oben ziehen (bzw. drücken) und in dieser Position stabilisieren. Eine erste "Schaukohte" (aus weißem Stoff) wurde zu Pfingsten 1928 auf dem Zeltlager auf der Kollenburg im Spessart aufgebaut. Sie war von Lene Ruckwied, der Stuttgarter Hausangestellten der Familie Koebel, nach Plänen von tusk auf der häuslichenNähmaschine hergestellt worden. Eine fahrtentaugliche Kohte entstand erst in Berlin. Die ersten Kohten baute die dj.1.11 an Ostern 1931 beim Sühnelager am Traunsee in Österreich auf. DieErweiterung der Kohte unter Einbeziehung von 12 Viereckszeltplanen zur "Jurte" folgte bald darauf. Im Eisbrecher Nr.2/Mai 1934 ist ein Foto enthalten, das eine Jurte zeigt, die die im Juli 1933 auf dem Osthanglager der dj.1.11 auf der Nordseeinsel Langeoog stand. Von Berlin aus fand die Kohte rasch enorme Verbreitung nicht nur in der dj.1.11, sondern z.B. auch bei den "Roten Pfadfindern" im Arbeitersportverein Fichte in Berlin und nach 1933 beim Deutschen Jungvolk und den Jungmädels in Hitlerjugend und BDM, wo in den Anfangsjahren vielfach bündische Jugendführer und Jugendführerinnen aktiv waren. Kohten lieferte in den dreißiger Jahren der bündische Günther-Wolff-Verlag in Plauen. Von dort bezog z.B. Hans Scholl aus Ulm für die Pfingstfahrt 1936 seiner dj.1.11-Gruppe eine neue Kohte, nachdem die alte Kohte beim Osterlager verbrannt war. Gegen die Benutzung von Kohten und Jurten wurde später jedoch von der HJ-Führung mit Verbotsmaßnahmen vorgegangen. Die Benutzung dieser Zelte galt als "gegenvölkisch" und "kulturbolschewistisch". In einer vielzahl von Prozessen des Sondergerichts Düsseldorf wegen verbotener bündischer Umtriebe, u.a. gegen Klaus Zwiauer, Hans Scholl und Willi Graf 1937/38, diente das Übernachten in einer Kohte als Beweismittel für die strafbare Fortführung der verbotenen bündischen Jugend"
(Quelle: Leben auf den Wanderwegen der Rentierherde , Eberhard Koebel, mit freundlicher Genehmigung des Verlag der jugendbewegung )