Die Gedanken sind frei
2. Ich denke, was ich will
und was mich beglücket,
doch alles in der Still
und wie es sich schicket.
Mein’ Wunsch und Begehren
kann niemand verwehren,
es bleibet dabei:
Die Gedanken sind frei!
3. Und sperrt man mich ein
im finsteren Kerker,
das alles sind rein
vergebliche Werke.
Denn meine Gedanken
zerreißen die Schranken
und Mauern entzwei:
Die Gedanken sind frei!
4. D’rum will ich auf immer
den Sorgen entsagen
und will mich auch nimmer
mit Grillen mehr plagen.
Man kann ja im Herzen
stets lachen und scherzen
und denken dabei:
Die Gedanken sind frei!
5. Ich liebe den Wein,
mein Mädchen vor allen,
sie tut mir allein
am besten gefallen.
Ich bin nicht alleine
bei meinem Glas Weine,
mein Mädchen dabei:
Die Gedanken sind frei!
Textgeschichte
Um 1780 wurde der Text zum ersten Mal auf Flugblättern veröffentlicht. Im Zeitraum zwischen 1810 und 1820 entstand die Melodie dazu, und das Lied wurde in der Sammlung Lieder der Brienzer Mädchen in Bern gedruckt. Im Jahr 1842 wurde das Lied in Schlesische Volkslieder von Hoffmann von Fallersleben und Ernst Richter veröffentlicht, diese letzte Version stammt von Hoffmann von Fallersleben. Die grundlegende Philosophie ist bereits aus der Antike bekannt. Das Kernmotiv des späteren Liedtextes findet sich schon im 13. Jahrhundert unter anderem bei Freidank (Bescheidenheit, 1229).
diu bant mac nieman vinden,
diu mîne gedanke binden.
man vâhet wîp unde man,
gedanke niemen gevâhen kan
Das Band kann niemand finden,
das meine Gedanken bindet.
Man fängt Weib und Mann,
Gedanken niemand fangen kann.
und Walther von der Vogelweide (joch sint iedoch gedanke frî[4] – Sind doch Gedanken frei).
Später wurde dem ursprünglich vierstrophigen Lied eine weitere Strophe hinzugefügt.
Historische und politische Bedeutung
Immer wieder war das Lied in Zeiten politischer Unterdrückung oder Gefährdung Ausdruck für die Sehnsucht nach Freiheit und Unabhängigkeit.
Der Vater Sophie Scholls wurde Anfang August 1942 wegen hitlerkritischer Äußerungen inhaftiert. Sophie Scholl stellte sich abends an die Gefängnismauer und spielte ihrem dort einsitzenden Vater auf der Blockflöte die Melodie vor.
Am 9. September 1948, auf dem Höhepunkt der Berlin-Blockade, hielt Ernst Reuter vor über 300.000 Berlinern vor der Ruine des Reichstagsgebäudes seine Rede, in der er an die Völker der Welt appellierte, die Stadt nicht preiszugeben. Nach dieser Rede erklang spontan aus der Menge u. a. das Lied Die Gedanken sind frei. Auch in der tagespolitischen Auseinandersetzung gegen staatliche Überwachung und Restriktion wird das Lied häufig gesungen.
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