75 Jahre Kohte: Unterschied zwischen den Versionen

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== Der Entwurf entsprang einem Wettbewerb ==
== Der Entwurf entsprang einem Wettbewerb ==


„Das Tuch bestand aus einem Stück, das allerdings lange nicht so schwer  war, wie wir uns dachten, und hatte die Form eines Napfkuchens, aus dem  ein Drittel schon herausgeschnitten ist. Die Zeltstöcke konnten  auseinandergenommen werden und waren ein eisenbahnfähiges, aber schweres  Bündel. Die Tür war echt lappisch, ein Dreieck, das mit kleinen Leisten  versteift war. Sie konnte aufgerollt werden wie eine Baderolle, und  trug das Zeichen unseres früheren Bundes, die Freischarlilie. Natürlich  hatten wir das Zelttuch in schönen Farben zusammengenäht (allerdings mit  weiblicher Hilfe). Der Entwurf entsprang einem Wettbewerb innerhalb der  Stuttgarter Gruppen. Aber das Problem war mit der Kohte noch nicht  gelöst."1) <ref>tusk: Das Zeltproblem, in: Eberhard Köbel/ Ingo Kaul  (Schriftleiter): Das Lagerfeuer - 21. Jahrgang des „Pfadfinder",  Heft 1, Atlantis-Verlag Berlin 1931, S. 10</ref>
„Das Tuch bestand aus einem Stück, das allerdings lange nicht so schwer  war, wie wir uns dachten, und hatte die Form eines Napfkuchens, aus dem  ein Drittel schon herausgeschnitten ist. Die Zeltstöcke konnten  auseinandergenommen werden und waren ein eisenbahnfähiges, aber schweres  Bündel. Die Tür war echt lappisch, ein Dreieck, das mit kleinen Leisten  versteift war. Sie konnte aufgerollt werden wie eine Baderolle, und  trug das Zeichen unseres früheren Bundes, die Freischarlilie. Natürlich  hatten wir das Zelttuch in schönen Farben zusammengenäht (allerdings mit  weiblicher Hilfe). Der Entwurf entsprang einem Wettbewerb innerhalb der  Stuttgarter Gruppen. Aber das Problem war mit der Kohte noch nicht  gelöst."<ref>tusk: Das Zeltproblem, in: Eberhard Köbel/ Ingo Kaul  (Schriftleiter): Das Lagerfeuer - 21. Jahrgang des „Pfadfinder",  Heft 1, Atlantis-Verlag Berlin 1931, S. 10</ref>
 
So beschreibt tusk  (Eberhard Koebel) 1931 in seinem Aufsatz „[[Das Zeltproblem]]" die erste  Kohte, die in seinem Auftrag und unter seiner tätigen Anteilnahme  entstand. Das geschah allerdings schon drei Jahre früher, im Jahr 1928,  und es handelte sich bei diesem Zelt zunächst nur um ein  Demonstrationsobjekt, das aus Leinenstoff gefertigt worden war. -  Bereits an dieser Stelle können damit einige wesentliche Tatsachen  festgestellt werden: Die erste bündische Kohte entstand in der alten  Deutschen Freischar (deren Ringführer und danach Gauführer tusk damals  war), sie war mehrfarbig - und: die Kohte, das seit vielen Jahren weit  verbreitete Feuerzelt der Bünde, hatte im letzten Jahr ihr 75-jähriges  Jubiläum.


So beschreibt tusk  (Eberhard Koebel) 1931 in seinem Aufsatz „Das Zeltproblem" die erste  Kohte, die in seinem Auftrag und unter seiner tätigen Anteilnahme  entstand. Das geschah allerdings schon drei Jahre früher, im Jahr 1928,  und es handelte sich bei diesem Zelt zunächst nur um ein  Demonstrationsobjekt, das aus Leinenstoff gefertigt worden war. -  Bereits an dieser Stelle können damit einige wesentliche Tatsachen  festgestellt werden: Die erste bündische Kohte entstand in der alten  Deutschen Freischar (deren Ringführer und danach Gauführer tusk damals  war), sie war mehrfarbig - und: die Kohte, das seit vielen Jahren weit  verbreitete Feuerzelt der Bünde, hatte im letzten Jahr ihr 75-jähriges  Jubiläum.
 
== Es ging auch um die Vermittlung eines spirituellen Erlebnisses ==
== Es ging auch um die Vermittlung eines spirituellen Erlebnisses ==


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Auch wenn dann spätestens ab Juli 1933 die Kohten durch das Sankt Georg  Rüsthaus frei bezogen werden konnten (das zum Verlag Günther Wolff  gehörte), dürfte der Absatz insgesamt keine besonders hohen Stückzahlen  erreicht haben. Gegen eine „enorme Verbreitung" der Kohte spricht neben  dem Verbot der Bünde ab Juni 1933 vor allem auch die seit 1929  anhaltende Weltwirtschaftskrise mit ihren hohen Arbeitslosenzahlen und  sonstigen sozialen Folgen. Im Juni 1932 kostete eine der üblichen  Viereckzeltbahnen bei Tadep in „Ia Qualität" 7,50 Reichsmark; ein  „Kohtenstück" war mit 19,90 Reichsmark aber mehr als zweieinhalbmal so  teuer<ref>vgl. die Tadep-Anzeige in: Eberhard Köbel (Hg.): Das  Lagerfeuer, Heft 5/6, Lasso-Verlag Berlin 1932, S. 47</ref>. Wie Sändi (Helmut Sandvoss) in ZEITUNG 2/2002 berichtet (in:  Wir wollten doch einfach nur auf Fahrt gehen!), hatte er damals als  Handlungsgehilfe (Einzelhandelskaufmann) einen Stundenlohn von 0,60  Reichsmark; ein Lehrling erhielt 5 Reichsmark im Monat! - Der  „Siegeszug" der Kohte hat sich mit Sicherheit erst nach 1945 ereignet.  
Auch wenn dann spätestens ab Juli 1933 die Kohten durch das Sankt Georg  Rüsthaus frei bezogen werden konnten (das zum Verlag Günther Wolff  gehörte), dürfte der Absatz insgesamt keine besonders hohen Stückzahlen  erreicht haben. Gegen eine „enorme Verbreitung" der Kohte spricht neben  dem Verbot der Bünde ab Juni 1933 vor allem auch die seit 1929  anhaltende Weltwirtschaftskrise mit ihren hohen Arbeitslosenzahlen und  sonstigen sozialen Folgen. Im Juni 1932 kostete eine der üblichen  Viereckzeltbahnen bei Tadep in „Ia Qualität" 7,50 Reichsmark; ein  „Kohtenstück" war mit 19,90 Reichsmark aber mehr als zweieinhalbmal so  teuer<ref>vgl. die Tadep-Anzeige in: Eberhard Köbel (Hg.): Das  Lagerfeuer, Heft 5/6, Lasso-Verlag Berlin 1932, S. 47</ref>. Wie Sändi (Helmut Sandvoss) in ZEITUNG 2/2002 berichtet (in:  Wir wollten doch einfach nur auf Fahrt gehen!), hatte er damals als  Handlungsgehilfe (Einzelhandelskaufmann) einen Stundenlohn von 0,60  Reichsmark; ein Lehrling erhielt 5 Reichsmark im Monat! - Der  „Siegeszug" der Kohte hat sich mit Sicherheit erst nach 1945 ereignet.  


Anzeige aus dem Eisbrecher, Heft 2 (Mai), 1934
[[Datei:St_-Georg-Anzeige-1.jpg|mini|Anzeige aus dem Eisbrecher, Heft 2 (Mai), 1934]]


== Und wer erfand das Kohtenkreuz? ==
== Und wer erfand das Kohtenkreuz? ==
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Bei der Durchsicht der Jahrgänge des „Lagerfeuer" und des „Eisbrecher"  ist mir eine Merkwürdigkeit aufgefallen, die den Aufbau der dort  abgebildeten Kohten betrifft. - Dass die tusk-Kohte von 1928 mit Hilfe  einer größeren Anzahl von Stangen aufgestellt werden musste, habe ich  bereits erwähnt (siehe auch das Foto S. 7 und die Zeichnung S. 11). Aber  auch die späteren Serienkohten wurden anders aufgebaut, als wir das  gewohnt sind. Bei allen in den beiden Zeitschriften auf Fotos oder in  grafischen Darstellungen abgebildeten Kohten fehlt das uns geläufige  Seil zum Aufhängen des Zeltes an den beiden gekreuzten Stangen oder an  einem überhängenden Ast.  
Bei der Durchsicht der Jahrgänge des „Lagerfeuer" und des „Eisbrecher"  ist mir eine Merkwürdigkeit aufgefallen, die den Aufbau der dort  abgebildeten Kohten betrifft. - Dass die tusk-Kohte von 1928 mit Hilfe  einer größeren Anzahl von Stangen aufgestellt werden musste, habe ich  bereits erwähnt (siehe auch das Foto S. 7 und die Zeichnung S. 11). Aber  auch die späteren Serienkohten wurden anders aufgebaut, als wir das  gewohnt sind. Bei allen in den beiden Zeitschriften auf Fotos oder in  grafischen Darstellungen abgebildeten Kohten fehlt das uns geläufige  Seil zum Aufhängen des Zeltes an den beiden gekreuzten Stangen oder an  einem überhängenden Ast.  


Kohte der Sturmtrupp-Pfadfinder aus den frühen Dreißigerjahren  (heute im Eigentum der Pfadfinderschaft Grauer Reiter) mit  Knopfverbindungen und Originalbemalung von Sven Brauns /  Garmisch-Partenkirchen  
[[Datei:Foto-mit-alter-Serienkohte.jpg|mini|Kohte der Sturmtrupp-Pfadfinder aus den frühen Dreißigerjahren  (heute im Eigentum der Pfadfinderschaft Grauer Reiter) mit  Knopfverbindungen und Originalbemalung von Sven Brauns /  Garmisch-Partenkirchen. Foto: sadarji (Kurt Ternes), Gerlingen-Giebel]]
 
Foto: sadarji (Kurt Ternes), Gerlingen-Giebel  


Wie die Abbildungen im „Lagerfeuer" und „Eisbrecher" zeigen, wurden zwei  oder vier Innenstangen benutzt, an denen das Kohtenkreuz seitlich im Rauchloch  angebunden wurde, das übrigens größer war als heute üblich. - Die  Stangen ragen dann oben oft nur kurz und stielartig aus der Kohte  heraus, ohne miteinander gekreuzt und verbunden zu sein(s. die  Darstellung auf S. 13 oder das nebenstehende Kohtenlager). Selbst wenn  sie sich oberhalb des Rauchloches überschneiden, geht von dort kein Seil  zum Kohtenkreuz hinunter, wie dies z. B. auch die Kohteninserate des  Sankt Georg-Rüsthauses zeigen (s. S. 19).  
Wie die Abbildungen im „Lagerfeuer" und „Eisbrecher" zeigen, wurden zwei  oder vier Innenstangen benutzt, an denen das Kohtenkreuz seitlich im Rauchloch  angebunden wurde, das übrigens größer war als heute üblich. - Die  Stangen ragen dann oben oft nur kurz und stielartig aus der Kohte  heraus, ohne miteinander gekreuzt und verbunden zu sein(s. die  Darstellung auf S. 13 oder das nebenstehende Kohtenlager). Selbst wenn  sie sich oberhalb des Rauchloches überschneiden, geht von dort kein Seil  zum Kohtenkreuz hinunter, wie dies z. B. auch die Kohteninserate des  Sankt Georg-Rüsthauses zeigen (s. S. 19).


== Und nun wirklich zum Schluss ==
== Und nun wirklich zum Schluss ==
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(Verlag der Jugendbewegung, Postfach 150330, 70076 Stuttgart/ verlag@jugendbewegung.de/ www.jugendbewegung.de/verlag)  
(Verlag der Jugendbewegung, Postfach 150330, 70076 Stuttgart/ verlag@jugendbewegung.de/ www.jugendbewegung.de/verlag)  
    
    
Grafik aus: dj.1.11 (Herausgeber), Eberhard Köbel (Schriftleiter):  Der Eisbrecher, Heft 9, Verlag Günthe Wolff zu Plauen i.V. 1933, Seite  217
[[Datei:Vorsatzblatt-mit-Fluss.jpg|mini|Grafik aus: dj.1.11 (Herausgeber), Eberhard Köbel (Schriftleiter):  Der Eisbrecher, Heft 9, Verlag Günthe Wolff zu Plauen i.V. 1933, Seite  217]]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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75 Jahre Kohte ... , von: dadarish (Dieter Geißler), in: Deutsche Freischar (Hrsg.) ZEITUNG 1/20047
75 Jahre Kohte ... , von: dadarish (Dieter Geißler), in: Deutsche Freischar (Hrsg.) ZEITUNG 1/20047
[[Kategorie: Geschichte]]
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