CPD Bautenwettbewerb 2022
Das Ziel des Bautenwettbewerbs war klar formuliert gewesen: Die Baukultur aus Schwarzzelt-planen im Bund wahrnehmen, wertschätzen, diskutieren, pflegen und weiterentwickeln. Das ist ein hohes und schönes Ziel. Neu war dieses Mal, dass die Kategorien und Kriterien im Vorfeld des Lagers im Detail erarbei-tet und veröffentlicht worden waren und alle Teilnehmer wussten, worauf es ankommt. Und die Jury hatte sich bei den Bewertungen sehr genau daran gehalten und auf Transparenz und Berechenbarkeit geachtet. Einzig nicht in die Bewertung eingeflossen ist die Tatsache, dass hoch liegende Plattformen oft nicht begangen werden durften aus statischen / baurecht-lichen Gründen, dies hat die Jury zugunsten der Teilnehmer ignoriert (und übrigens die eine oder andere Plattform im Einzelfall doch begangen und auf Stabilität und Steifigkeit hin über-prüft!) Es ist unglaublich, welche Kreativität im Schwarzzeltbau der Christlichen Pfadfinder steckt. Wie homogen und ästhetisch solch ein Großlager wirkt und wie vielfältig und innovativ es im Einzelnen dann wieder ist! Das hat die Jury bei der Bewertungsansprache dann auch deutlich hervorgehoben – ein Glückwunsch uns Pfadfindern für unsere Baukultur!
Was zudem aufgefallen war und betont wurde, war die Nachhaltigkeit hinsichtlich Holzver-brauch, aber auch hinsichtlich Muskeleinsatz. Die Bauten sind eleganter und pfiffiger gewor-den, mit weniger Material sind bessere Konstruktionen erreicht worden. Und es gilt ja, außer mit dem Stangenholz auch mit Zeit und Kraft der bauenden Pfadfinder hauszuhalten! Außer-dem haben sich die Planungsmethoden geändert – was früher einfache Handskizzen waren oder ohne Plan gebaut wurde sind jetzt oftmals präzise computergestützte CAD Konstrukti-onszeichnungen. Und viele Konstruktionen werden im Papier- oder Kartonmodell überprüft – das sind oft eigene kleine ästhetische Kunstwerke! Das hat sehr oft Sonderpunkte gegeben.
Eine der herausragenden Besonderheiten war auf diesem BULA sicherlich das Gesamtlager-konzept mit sechs + zwei verschiedenen Unterlagern mit je eigener Identität und Geschichte. Hohenstein (Wissenschaft), Nordholm (Seefahrt), Siebenberg (Bergbau), Silberhain (Wald und Natur), Solgossa (Handel), Weinthal (Frucht und Musik), Pfifferlingen (Kinder) – was für eine Vorlage für individuell gestaltete Unterlager, für Großbauten, Zweckbauten, Wohnbauten und Klein- und Zierbauten! Diese Idee des Vorbereitungskreises ist voll aufgegangen! Natürlich der Großzeltbau: Großzeltbau ist seit jeher die Königsklasse im Schwarzzeltbau. Un-ser Bund hat da wirklich schon viel gesehen – kühnste Großkonstruktionen unter raffiniertem Einsatz der Grundelemente – Kohten- und Vierecksplanen. Und es ist kein Ende mit der Krea-tivität, was man aus diesen einfachen Grundelementen schaffen kann! Und so war es auch diesmal wieder. Die Jury hat sehr lange diskutiert. Und die Kriterien genau angewendet. Und schließlich, abweichend von der rein mathematischen Auswertung, beschlossen, die drei füh-renden Großbauten mit je einem ersten Preis zu bedenken, da sie in ihrer Qualität und der ma-thematischen Bewertung sehr nahe beieinander lagen, vom Konzept aber extrem unterschied-lich sind. Da sollte es nicht an wenigen Punkten liegen sondern vielmehr allen gerecht wer-den. Gerade bei den Großzelten hatte uns der Sandboden zur Verankerung alles abgefordert: Oben locker, unten steinhart. Viele Häringe waren doppelt nach hinten abzuspannen gewe-sen. Teilweise riesige Pflöcke, anderthalb Meter und mehr. Die Stunde der Wahrheit durch schweres Unwetter ist uns allen zum großen Glück erspart geblieben…..
Als Preise hat es natürlich Bauwerkzeug gegeben, Äxte, Beile, Seile, aber auch einen Dutch Oven und Waffeleisen (Bauen macht hungrig….), verschiedene Hersteller haben uns hier unterstützt. Und je eine bemalte Jubiläumszeltplane „100 Jahre CPD 2022“ mit dem Drachen, dem Herz, dem Baum und seinen Wurzeln. Von dieser Jubiläumszeltplane haben auch die drei Lagerleiter je eine bekommen, als Sonderpreis für das „immaterielle Bauwerk - Gesamt-konzept BULA 2022“.
Hier also ein paar Höhepunkte des Bautenwettbewerbs ohne Anspruch auf Vollständigkeit – wie schön wäre mal eine ganz systematische Dokumentation aller teilnehmenden Bauten in Text, Bild und Zeichnung!
Ein 1. Preis (349 P.)
Die Unterlagerbaute „Festung“ (Dreieckskuppel, Turm) des Stammes Gleißender Wolf vom Wunnenstein mit Baumeister Freddy Götz im Unterlager Siebenberg. Was für eine Weiterentwicklung des Großzeltes „Wolfenstein“ vom BULA 2016 – größer, schöner, dichter, pfiffiger, dabei wesentlich effizienter mit deutlich weniger Holz! Die Kräfte verteilt statt gesammelt, ohne Kompromisse an der architektonischen Innenraumqualität! Be-sonderes Lob der Jury und Sonderpunkte für Innovation.
Ein 1. Preis (324 P.)
Die Große Halle („schwebende Jurten“) des Stammes Wilhelm Herrmann im Unterlager Hohenstein. Welch ein Innenraum mit 10 Oberlichtern! Auf den ersten Blick ein einfaches additives Prinzip aber beim näheren Hinsehen eine raffinierte 60° Geometrie, ab-gehängt mit Luftstützen. Super präzise aufgebaut. Bei gewisser statischer Empfindlichkeit - es hat zum Glück kein größeres Unwetter gegeben. Sonderpunkte für innovative Planung.
Ein 1. Preis (314 P.)
Die zentrale Bühne / Theaterbau am Versammlungsplatz (Luca, Claas, Pascal, Claudi). Die Jury hat die Bühne auch ohne Anmeldung kurzerhand in die Wertung einbezogen, das gibt es. Da hat doch ein ganz kleines Team einen künstlerisch-kreativen Theaterbau erschaffen, der das Spielen auf drei Ebenen wie im modernen Theater erlaubt. Vielgenutzt! Und dieses selbstlose Team konnte noch nicht mal am ganzen Lager teilneh-men…. Sonderpunkte für Kreativität.
Der 2. Preis
Gesamtanlage und Wohnzelt „Universität“ mit Turm, Bibliothek, Alchimielabor, Waschmaschine (…) und Brunnen des Stammes Dag Hammarskjöld, Unterlager Hohenstein. Additives Prinzip aus bekannten Grundelementen, fantasievoll angeordnet, liebevoll einge-richtet und dekoriert. Ein Gesamtkunstwerk, passend zum Unterlagerthema!
Der 3. Preis
Versammlungszelt („gotische Ovaljurte“) des Stammes Franz von Sickingen, UL Solgossa. Ein hoch spannender Ansatz dieses Bauwerks, vergleichbar der Gedankenwelt der Gotik: Das gesamte statische Tragsystem liegt als Gerüst außen, der Innenraum ist stützenfrei und großzügig. Es hat sich natürlich die Frage nach dem Aufwand-Nutzen-Verhältnis gestellt. Und die Frage nach der Sicherheit (Kriterium „sturmfest + wasserdicht“) – hätte man das ein-gehängte Zelt im Gerüst bei aufkommendem Sturm wirklich schnell heruntergelassen? Das hat die Jury den Baumeistern im Gespräch dann doch nur teilweise geglaubt…
Der 4. Preis
Versammlungszelt „mit Flügeln“ des Stammes Andreas Steinhauer im Unterlager Weinthal. Eine Skulptur! Architektur in Reinform! Ein wunderschönes, elegantes, innovatives und gut konstruiertes Großzelt. Ein Fünfeck – dass gabs noch nie! Im Herzen ein weiterer ers-ter Preis. Die Jury hat sehr lange diskutiert. Es ist einfach deutlich nicht fertig gewesen. Die Unfertigkeit zum ersten und zweiten Jury Rundgang hat aus Gründen der Fairness zur Abwer-tung führen müssen. Mit blutendem Herzen. Was für ein schönes Zelt!
In der Kategorie „Zweckbauten“ sind natürlich die Sitzringe besonders zu erwähnen, teils mehrstöckige, teils überdachte Großkonstruktionen mit dem Anspruch, dass viele Menschen im Unterlager sich bei Mahlzeiten und Versammlungen in Gemeinschaft möglichst nahe sind. Hier insbesondere der Sitzring UL Silberhain von Nina Lenz mit den grünen Bändern, Kie-fernzapfen und Kräutern, die sich als Thema quer durch das Unterlager gezogen haben und als künstlerisches Gesamtkonzept (selbst der Bannermast als „Baum“!) eine besondere Aner-kennung bekamen. Oder der überdachte Sitzring Nordholm inklusive Essgeschirrständer an den Plätzen mit seiner raffinierten Konstruktion.
Und die Tavernen und Lagercafés mit ihren kreativen und stilsicher passenden Einrichtun-gen: Natürlich der Oktopus als zeichenhafte Architektur mit Tentakeln und Saugnäpfen – raf-finiert und doch einfach konstruiert! Und der „Goldene Knopf“ als Archtetyp eines Giebelhau-ses mit der raffinierten und artgerechten Verwendung der Vierecksplanen und To’s Musik-bühne. Oder die Schenke in Weinthal – Urtyp eines Gasthauses, von weitem ablesbar! Natür-lich zu nennen die Lagertore, stets passend zum Thema des Unterlagers! Und die Küchen – teils mit allen Schikanen! Und natürlich der Kinderspielplatz im Familienteillager samt Seil-bahn, Sandkasten, Schaukel und Klettergerüst!
Bei den „Wohnbauten“ die Schiffe in Nordholm, die Bergwerksstollen in Siebenberg, das Baumzelt in Silberhain, der „Vulkan“, unzählige Kohten- und Jurtenvarianten und –kombinationen, auch das alles wäre einen separaten Bericht mehr als wert. Und eine separate Betrachtung von Aufhängungen und Abspannungen im Detail. Kein Sturm. Die Jury hatte übrigens zwei Zelte aus statischen Gründen bis zur Überarbeitung stillegen müssen….
Sehr viele Klein- und Zierbauten hat es gegeben: Anschlagbretter, Eßgeschirrständer, Sitz-bänke, Briefkästen, Hängematten, Spiel- und Sportgeräte, usw. usw. Besonders aufgefallen ist die „Nachhaltigkeitskuppel“ von Hanna als fantasievoll selbstgefertigtes Element-Stecksystem, die Ruheoase „Aurinko“ mit meditativem Licht und die Hängematte „Susanna von Zillenhart“ aus aufgefädelten Holzstäben.
Eindrucksvolle, kreative, fantasievolle und liebevoll geschmückte Groß- und Kleinbauten! Was für eine Fantasie und Liebe zum Bauen! Die Jury bedankt sich bei allen Teilnehmern des Wettbewerbs. Das ist: Johannes (Architekt), Daniel (Landschaftsarchitekt und Großzeltbau-meister), Kai (Ingenieur und Baupraktiker in Vertretung für Ellen, Baurechtsexpertin), Andre (Baupraktiker aller Gewerke in Vertretung für Georg, Großzeltbaumeister), Björn (Bauhandwer-ker), Bernd (Architekt und Großzeltbaumeister), Dalena (Innenarchitektin). Vielleicht machen die mal eine separate, umfassende Dokumentation aller Einzelbauten im Detail – es wäre es wert!
Bernd Pfau