Via Emilia
Es ist Ende Februar und ich will mit dem Fahrrad nach Israel fahren. Ende Februar sind die Pässe in den Alpen noch geschlossen und überhaupt stelle ich mir die Fahrt mit Zelt durch die noch winterliche Schweiz kalt und ungemütlich dar. Viel lieber würde ich direkt in den kommenden Frühling starten. Ich buche deswegen eine Bahnfahrt von Zuhause nach Chiasso. Damit liegen die Alpen hinter mir und Italien vor mir. Das Gröbste wäre also schon mal geschafft. Über Como radele ich meine ersten Kilometer dieser Reise ins abendliche Italien, um mir einen Lagerplatz zu suchen. Das ist hier nicht so einfach, überall Stadt, Besiedlung, Industrie. Nach den ersten 30 km finde ich etwas abseits der Straße eine Wiese, die mich und mein Zelt beherbergt. Es ist schon fast dunkel, als ich mich hier einrichte. Die erste Etappe ist geschafft. Mehr als 3.000 km liegen noch vor mir.
Zum Eingewöhnen will ich es langsam angehen lassen. Ich fahre im Alltag viel Rad, die längeren Radtouren liegen schon ein Weilchen zurück, die längste davon einmal um die Bretagne mit unserer alten Rover-Gruppe von den Pfadfindern. An Erfahrung mit dem Unterwegssein, für sich selbst sorgen, daran mangelt es mir nicht. Schon immer habe ich gerne fremde Länder erkundet und mich zusammen mit anderen auf spannende Wege gemacht. Und wenn es Schwierigkeiten gab, dann mussten wir die eben meistern. Die letzten Jahre waren wir immer wieder auf längeren Reisen. Mal mit Interrail und Rucksack nach Portugal oder mit dem Kanu quer durch ganz Frankreich von Besancon bis ins Mittelmeer oder mit den Linienbussen zum Wandern nach Griechenland.
Neu ist für mich längere Zeit alleine zu reisen. Klar hab ich auch schon alleine im Wald übernachtet und verschiedene kleinere Reisen alleine gemacht, aber jetzt so richtig in die Ferne starten und erst wieder in Israel Freunde treffen, das ist schon etwas anderes. Aber mich triebt die Freude und die Neugier auf diese Reise. Lediglich vor Italien habe ich Respekt.
Die ersten Tage befinde ich mich noch in Stealth-Modus. Meist baue ich das Zelt erst in der Dämmerung oder Nachts auf. Weil die Tage noch zu kurz sind, oder weil mir das ein Gefühl der Sicherheit gibt, wenn niemand weiß, das hier jemand zeltet. Das Fahrrad kommt unter die Apsis und meine Ausrüstung ist im Zelt verstaut. Groß genug ist es. Das bietet keinen besonderen Schutz, aber vom Gefühl her ist es so besser.
Die ersten Tage führen mich durch die Po-Ebene, entlang der Via Emilia in Richtung Mittelmeer. Bereits die zweite Etappe bis Lodi ist mit 90 km füreinen Muskelkater verantwortlich und beschert mit mit einem übersehenen Schlagloch die erste Panne. Das kalte Wetter bringt mir eine Erkältung, morgens ist das Zelt noch steif gefroren.
Am dritten Tag erreiche ich die Gegend um Parma, das Land von Don Camillo und Peppone. An den Nebenstrecken, auf denen ich unterwegs bin, gibt es wenig Möglichkeiten zum Einkaufen. Noch lebe ich von den Vesper-Voräten, die ich eingepackt hatte, von den Konditoreien und hier und da etwas Käse. Ein Block Parmesan muss schließlich sein, regional eingekauft.
Wie ich mich auf dieser Reise verpflegen will, muss ich mir noch überlegen. Ein kleines Kochset habe ich dabei, aber gerne kann ich auch tagelang kalt ernähren, nur etwas Abwechslung muss dann sein. Während hier in Italien der Frühling vor der Tür steht bieten sich Salate aus frischem Gemüse zum Mittagessen an.
Am fünften Tag verbringe ich viel Zeit wegen der Reparatur des Fahrrads in Bologna. Die Fasnachts-Umzüge haben die Stadt fest im Griff. Zu Mittag gibt es Canneloni aus dem Selbstbedienungs-Restaurant. Die Stadt verlasse ich erst gegen 17 Uhr und radele tief in die Nacht hinein nach Imola. Mein Zelt steht auch im Dunkeln mit wenigen Handgriffen. Statt einem Abendessen gibt es Budweiser und eine Tüte Chips.