Leitfaden Sicherheit bei Schwarzzelten
Dieser Leitfaden dient der Betrachtung zur Sicherheit von Kohte und Jurte sowie kleineren und größeren Zusammenstellungen, welche sich aus dem modularen Zeltmaterial konstruieren lassen.
Die üblichen Konstruktionen, wie Kohte und Jurte werden hier nur vereinfacht behandelt, da sie seit mehr als 80 Jahren fast unverändert produziert und verwendet werden. Als Stand der Technik hat sich ein Aufbau nach den entsprechenden Anleitung von Kohte und Jurte ergeben. Dies ist gebräuchlicher Usus und es liegen bisher keine Erkenntnisse über Beeinträchtigungen von Personen beim Bestimmungsgemäßen Gebrauch der Zelt vor.
Die Sicherheit auch dieser einfachen Zelte lässt sich durch einfach Maßnahmen, welche über den üblichen Aufbau hinausgehen, deutlich erhöhen. Dazu gehören Tipps zum Umgang mit Starkwind, Regen, Schnee wie auch die Verankerung in unterschiedlichen Böden. Zu Sicherheitsbetrachtung von Kohte und Jurte gehören desweiteren Betrachtungen zum Brandschutz sowie erforderlicher Fluchtwege. Dies wird im Folgenden entsprechend beschrieben.
Insbesondere bei größeren Konstruktionen ist es jedoch unerlässlich, sich mit einem Sicherheitskonzept auseinanderzusetzen, um eine entsprechende Machbarkeit und Umsetzung bereits im Vorfeld zu prüfen und eine sichere Nutzung zu gewährleisten.
Bei Jurtenburgen ab 75 m² Grundfläche greifen zusätzlich zu den eigenen Betrachtungen entsprechende gesetzliche Regelungen über deren Bau und Betrieb, welche bei der Errichtung berücksichtigt werden müssen.
Je nach Verwendung und Einschätzung der örtlichen Behörden ist davon auszugehen, dass Jurtenburgen als Fliegender Bau oder Temporärer Bau anzusehen sind.
Weitere Informationen die zur Beurteilung der Sicherheit bei Jurtenburgen beitragen können.
Vorbemerkung
Zu einem Sicherheitsleitfaden gehört außer den konstruktiven technischen Regeln auch die Auseinandersetzung mit Sicherheitszielen, Bedrohungen und der Auswahl von angemessenen Gegenmaßnahmen.
Sicherheitsziele: Was soll verhindert werden? Personenschaden (Erkrankung, Verletzung, Tod), Vermögens-/Sachschaden (Schäden am Zeltmaterial, an persönlichem Eigentum von Nutzern und/oder Besuchern), Umweltschäden, ...?
Bedrohungen: Wodurch können solche Schäden hervorgerufen werden? Naturereignisse (Wind, Regen, Hochwasser, Gewitter), Materialmängel (Zeltbahn-Vorschäden, ungeeignete Seile/Stangen/Häringe), Benutzungsfehler (falsche Befeuerung), ...? Wodurch können Gefahren verschlimmert werden (Panik, fehlende Fluchtwege, ...)
Gegenmaßnahmen: Welche Maßnahmen können die Bedrohungen mindern? (Stangenauswahl, Abspannung, Zeltmaterial-Zustand, Notausgänge, Feuerschutz, Besucherzahl-Beschränkung, Reserve-Seile und -Häringe, Notfallplan, ...)
Dazu gehört auch die Untersuchung, welche Sicherheitsziele bei einem geplanten Projekt vorrangig sind, welche Bedrohungen eher oder weniger wahrscheinlich sind. Stolperfallen durch Abspannseile stellen für Besucher eine größere Gefahr dar als für lagererprobte Pfadis; mit Schneelast muss ich bei einem Sommerlager weniger rechnen als mit Wolkenbrüchen.
Und schließlich: Vollständige Sicherheit ("Da passiert garantiert nichts!") gibt es nicht. Nach tagelangem Regen mit durchweichtem Boden und anschließendem Sturm nützen mir die tollen 80 cm-Häringe und die nagelneuen Seile womöglich nichts mehr. Darum gehört zu jedem Sicherheitskonzept auch die Festlegung, welcher Aufwand betrieben werden soll, um das Risiko wie weit zu begrenzen Stichwort: Akzeptiertes Risiko.
Allgemeines
verwendete Bauteile
Bei dem Aufbau von Kohte und Jurte sowie einer daraus möglichen Jurtenburg werden verschiedene Materialien eingesetzt. Diese kommen teils wiederholt (wenn auch in verschiedenen Zusammenstellungen) zum Einsatz. Dies wären vorwiegend die Zeltplanen aber auch Seile, Rollen und Zeltpflöcke. Andererseits werden die statisch tragenden Bauteile (Stangenholz) oft nur einmalig verwendet. Besonders beim Bau von Jurtenburgen werden die tragenden Hölzer in aller Regel nicht wiederverwendet.
Zeltplanen
Die einzelnen Zeltplanen des modularen Systems aus Kohte und Jurte bestehen aus 100% Baumwolle (meist in den Stoffqualitäten KD38 oder KD24). Diese entspricht der Brandschutzklasse B2 und ist normalentflammbar.
Das Verbindungssystem der Planen untereinander verwendet Knopflöcher und Doppelknöpfe. Dieses System findet seit über 100 Jahren vorwiegend bei militärischen Zeltplanen Verwendung. Es erlaubt vielfältige Konstruktions- und Verbindungsmöglichkeiten und bietet einen kraftschlüssigen Verbund der einzelnen Zeltplanen.
Eine gute Verbindung ist gewährleistet, wenn alle Knöpfe und Knopflöcher geschlossen sind.
Ebenfalls verwendet wir ein Verbinungssystem mit Schlingen und Ösen (seit 1952 für die Dachplanen, seit 2012 auch alternativ für Seitenwände). Auch dieses System erlaubt einen kraftschlüssigen Verbund der einzelnen Planen.
Textile Stoffe aus Baumwolle unterliegen je nach Verwendung und Lagerung einem sehr unterschiedlichen Alterungsprozess. Teilweise werden die einzelnen Planen bis zu 20 Jahre im Gebrauch verwendet.
Vor der Verwendung der Planen sind diese zu prüfen und gegebenenfalls fachmännisch instandzusetzen oder auszusondern.
Insbesondere sollte auf folgende Punkte geachtet werden:
- ausgerissene Ösen
- ausgerissene Doppelknöpfe
- ausgerissene Knopflöcher
- Löcher und Risse in der Plane
- Schimmel
- brüchige Stellen
Ein Riss im Stoff verringert dessen Festigkeit von 70 daN (Höchstzugkraft Kette, KD38) auf etwa 1,5 daN (Weiterreißfestigkeit, KD38)
Ausnahmen im System:
Dächer mit Traufkante sind nur eingeschränkt für die Verbindung untereinander verwendbar. Da die Knopfleiste nur angenäht ist und je nach Baujahr des Daches die 32mm-Ösen fehlen ist keine Kraftübertragung möglich. Lediglich eine lose Aneinanderreihung der einzelnen Jurten ist hier praktisch umsetzbar.
Bauholz
Seile
Rollen
Zeltpflöcke
Zubehör
Statik
- alle erforderlichen Erdanker (Heringe) sind in ganzer Länge einzuschlagen
- auch bei befestigten Aufstellflächen sind die Erdanker zwingend erforderlich (Dübel sind nach Typenstatik regelmäßig nicht zulässig!)
- alle Abspannungen sind in gespanntem und gesicherten Zustand
- bei Regen ist sicherzustellen, dass sich auf den Zeltdächern keine Wassersäcke bilden, damit die Trägfähigkeit des Daches nicht gefährdet wird
- während der Wintermonate sind bei Schneefall geeignete Maßnahmen zu ergreifen, damit die Tragfähigkeit des Daches durch Schneelast nicht gefährdet wird (z. B. Räumung des Zeltdaches oder Aufheizung des Zeltes zum Abtauen)
Brandschutz
Die verwendeten Materialien (Textilien, Weichholz) entsprechen in der Regel der Brandschutzklasse B2 und sind damit normalentflammbar.
Erforderliche Abstände zu bestehenden Gebäuden und anderen fliegenden Bauten
- 8,00 m zu massiven Gebäuden ohne erhöhte Brandlast
- 10,00 m zu anderen Bauten.
- Bei Unterschreitungen ist im Vorfeld mit dem Bauamt abzuklären, ob durch Kompensationsmaßnahmen ein geringerer Abstand toleriert werden kann.
Erforderliche Feuerlöscher (jeweils 6kg ABC-Pulverlöscher)
- bis 300 m² Zeltfläche 1 Löscher, bis 600 m² 2 Löscher, usw.,
- im Küchenbereich für Brat-, Grill oder Frittiergeräte Löschdecke erforderlich
Fluchtwege
Bei den Fluchtwegen werden sowohl die Rettungswege im Zelt, als auch die Notausgänge betrachtet
- normaler Gang = Gang zwischen der Bestuhlung = min. 0,80 m Breite,
- Rettungswege zu Notausgängen = mindestens 1,20 m Breite
Die Breite der Ausgänge muss der Rettungswegbreite entsprechen und ist von der größtmöglichen Besucherzahl abhängig
- immer mindestens 2 Ausgänge, sich gegenüberliegend, Öffnungsbreite mind. je 1,20 m Breite, von jedem Besucherplatz bis zum Notausgang max. 30,00 m Fluchtwegelänge
- bei außen liegenden Stufen nach Ausgangstüre Podest mind. so tief wie die entsprechende Türflügelbreite anordnen, da ansonsten Stolpergefahr
- „zugeknöpfte“ Zeltplanen sind als Notausgang nicht zulässig. Diese müssen wenigstens aufgeknüpft vorgehalten werden
- Während der Betriebszeit müssen der Hauptausgang, sowie alle weiteren Ausgänge ständig und in voller Breite geöffnet sein
- mindestens ein Zu-/Ausgang ist so beschaffen, dass er für Rollstuhlfahrer ohne fremde Hilfe benutzbar ist, d. h. absatzfrei und Rampen mit max. 6% Steigung
Die Beschilderung der Notausgänge erfolgt mit beleuchteten, notstromversorgten Piktogrammen (Würfeln).
Rettungswege außerhalb des Zeltes sind bis zur öffentlichen Verkehrsfläche vorhanden und nutzbar (mindestens mit 3,00 m Breite und 3,50 m Höhe freizuhalten).
Zufahrten für die Feuerwehr, einschließlich Aufstellflächen, sind vorhanden und werden ständig freigehalten.
Für die Notausgänge ergibt sich vereinfacht
- erforderliche Breite = 1,20 m je 200 darauf angewiesene Personen
- pro weitere 100 Personen zusätzlich 0,6 m Breite erforderlich
- Staffelungen nur in 0,60 m Schritten zulässig
Berechnung der erforderlichen Notausgangsbreiten
Grundsätzlich gilt:
- Alle den Besuchern zugänglichen Ein-/Ausgänge werden mit angerechnet
- Bei Veranstaltungen ohne Bestuhlung sind 2 Gäste pro m² Besucherfläche anzurechnen.
Berechnungsverfahren:
Ausgangsgrößen:
a = Gesamte Grundfläche des Zeltes in m² b = davon abziehbare Fläche in m², die von Besuchern nicht genutzt werden kann, (z.B. Podium, Bühne, Ausschank, Küche, Stauraum, etc. c = Zwischensumme d = abziehbare Ausgangsbreite Hauptausgang, abgerundet auf 0,60 m Raster (Ausgangsbreite = 3,40 m, angerechnet 3,00 m) e = erforderliche Gesamtausgangsbreite der Notausgänge in m. (Mindestbreite von je 1,20 m, größere Breiten im Rastermaß 0,60 m.
Die erforderliche Breite und Anzahl der Notausgänge errechnet sich nach folgender Formel:
- [(a - b) * Anzahl Besucher] / 150 = c
- c – d = e
- Aufteilung der Breite (f) auf herzustellende Notausgänge
Beispiel:
Zelt mit einer Fläche von 175 m² (entspricht z.B. einem Jurtendom, abziehbare Fläche der Einbauten 20 m² (für den Thekenbereich), ohne Bestuhlung, = anzusetzen sind 2,0 Personen/m² Besucherfläche 155 m² = 310 Personen.
Der vorhandene Hauptzugang ist 1,57 m breit (abzurunden auf 1,20 m, da Rastermaß 0,60 m)
1. [(175 m² - 20 m²) * 2,0 Besucher] / 150 = 2,07 m erforderliche Breite aller Notausgänge 2. 2,07 m – 1,20 m für Hauptzugang = 0,87 m erforderliche Breite der zusätzlichen Notausgänge 3. 1,20 m erforderliche Breite, nächste Rastermaß zu 0,60 m
Somit ist zusätzlich zum Haupteingang ein Notausgang mit einer Öffnungsbreite von mindestens je 1,20 m Breite erforderlich.
Beleuchtung
Sicherheitsbeleuchtung
- nur bei Zelten größer 200 m², die auch nach Einbruch der Dunkelheit betrieben werden
- Betrieb mit Notstromaggregat oder Akkuunterstützt
- Betrieb während der Betriebszeiten zeitgleich mit der Hauptbeleuchtung
Einrichtung
Absturzsicherungen an Podien und Bühnen
- ab 0,20 m Absturzhöhe erforderlich, Höhe des Geländers min.1,00 m,
- bei einer Absturzhöhe > 1,00 m unten mit Bordbrett
Abgehängte Einrichtungsgegenstände wie Lampen, Musikboxen oder Werbeanlagen sind ordnungsgemäß befestigt und mit einer zusätzlichen Sicherung gegen Absturz versehen.
Inhaltlich übernommen aus der Checkliste zur Aufstellung und Betrieb von Festzelten des Landkreis Ostallgäu[1]
Sicherheit bei Kohte und Jurte
Statik
Brandschutz
Fluchtwege
Sicherheit bei kleineren Konstruktionen bis 75 m²
Statik
Brandschutz
Fluchtwege
Sicherheit bei größeren Konstruktionen ab 75 m²
Statik
Brandschutz
Fluchtwege
Checklisten
Einzelnachweise
- ↑ Checkliste zur Aufstellung und Betrieb von Festzelten (fliegende Bauten) ab 75 m² Grundfläche:. Website des Landkreis Ostallgäu. Abgerufen am 17. Oktober 2012.